Letzte Aktualisierung: um 1:06 Uhr

Bratislava

Mit Air Explore on Tour

Unterwegs mit dem slowenischen Charter

Bratislava bei Sonnenaufgang. Die ersten Sonnenstrahlen brechen auf die slowakische Hauptstadt herein, als ich verschlafen um halb neun Uhr früh vor der Adresse «Kupeckeho 3» ankomme. Bei dem Haus in Zentrumsnähe handelt es sich augenscheinlich um ein Mietshaus aus den sechziger Jahren. Niemand würde vermuten, dass sich im dritten Stock des Gebäudes die Büros der größten slowakischen Fluglinie befinden. Nur ein kleines Firmenschild am Eingang weißt darauf hin, dass hier eine Airline ihren Firmensitz hat, die Air Explore s.r.o.

Vor etwas mehr als einem Jahr stand ich erstmals hier an dieser Adresse. Im April des vergangenen Jahres begann Air Explore mit dem Flugbetrieb und ich wollte mehr über das neue Unternehmen in Erfahrung bringen. Gegründet wurde die Gesellschaft von Martin Stulajter, einem damals erst 26 jährigen Luftfahrtprofi, der heute als Geschäftsführer und Mitbesitzer agiert. Mit seinem jugendlichen Alter von nur 26 Jahren dürfte Martin Stulajter  der jüngste Airlinechef in Europa sein. Der Gründung voraus gegangen war der Zusammenbruch der gesamten slowakischen Luftfahrtindustrie. Airlines wie Skyeurope, Air Slovakia oder Seagle Air mussten innerhalb kürzester Zeit ihren Konkurs anmelden. Die Zeit war reif für ein neues Luftfahrtunternehmen, eine Airline die sich auf Nischenmärkte konzentriert und nicht ihr Glück im Linienbetrieb sucht.

Dem geschäftstüchtigen jungen Martin Stuljater, der seine Karriere als 19 jähriger Stationsleiter begann und sich innerhalb weniger Jahre zum Operation Manager bei Seagle Air hinaufgearbeitet hatte, war es gelungen, slowakische Investoren und den bulgarischen Airline Broker TITAN von seinem Konzept einer Charterairline zu überzeugen. Eine neue Fluggesellschaft war geboren, die Air Explore (AXE). Heute mehr als ein Jahr nach Start der Airline, freut sich Martin Stulajter über 56.000 beförderte Passagiere. Diese konnten hauptsächlich aus Charter & ACMI (Aircraft-Crew-Maintenance-Insurance) lukriert werden. Die Wahl des Fluggerätes war schnell getroffen, eine ehemalige SN Brussels Boeing 734 (OM-AEX) wurde angeschafft, mit der man dem Sommer über Charteraufträge für diverse italienische Reiseveranstalter bediente.

Seit Anfang Juni steht die OM-AEX im ACMI Leasing bei der polnischen ENTER AIR für vier Monate im Einsatz. Aus diesem Grunde musste die Airline eine zusätzliche Maschine anmieten um ihre Aufträge in Italien und der Slowakei bedienen zu können. Seit Mitte Juni fliegt die von ILFC angemietete Boeing 737-382 (OM-BEX) für das junge Unternehmen. Die Maschine wurde ursprünglich im März 1989 an die TAP Air Portugal ausgeliefert, bereits ein Jahr später wurde die Maschine an Air Malta übergeben, wo Sie bis zum Jahr 2004 ihre kommerziellen Einsätze flog. Letzter Betreiber der Maschine war die KD Avia aus Kaliningrad.

Während eines Gespräches anlässlich des einjährigen Firmenjubiläums, bot mir Geschäftsführer Martin Stulajter an, eine Air Explore Crew auf einen ihrer Flüge zu begleiten. So stand ich an diesen Sommermorgen vor dem Firmensitz des Unternehmens und freute mich auf einen spannenden «Arbeitstag».

Unterwegs im Bulgarien-Shuttle
In den Büros der Gesellschaft angekommen, erkundigte ich mich zuerst nach den Räumlichkeiten der Flight Operation. Dort angekommen wurde ich auch schon freundlich von unserem Kapitän, Pavel Larisch begrüßt.

Die bevorstehenden Flüge sollten im Auftrag für CCA Slovakia geflogen werden. CCA Slovakia ist ein Tochterunternehmen des in Ostrava (Tschechien) ansässigen Unternehmens CCA, dass sowohl Linienflüge (Central Connect Airline Saab 340) als auch Charterflüge (Central Charter Airlines) anbietet. Nachdem die slowakische Division bis heute über kein eigenes Fluggerät verfügt, wurde Air Explore mit der Durchführung der Flüge beauftragt. Die Crew, die ich heute begleiten sollte, war bereits über meinem Besuch informiert worden und so konnte ich den Kapitän und seinen Copiloten bei den Vorbereitungsarbeiten im Operation Office über die Schulter blicken. Dazu wurden Informationen betreffend Wetter, Flugverlauf und Besonderheiten auf der Strecke mit dem Flight Dispatcher abgeklärt.

Um 09:10 Uhr war die gesamte Crew, bestehend aus Co-Pilot Nemanja Dedejkovic, den drei Flugbegleiterinnen Jana Samay, Michaela Kossarova und Jana Kovalova anwesend. Kapitän Larisch begann mit dem Briefing der Mannschaft. Unser heutiger «Arbeitstag» bestand aus vier Einzelflügen auf der Strecke Bratislava-Burgas-Sliac-Burgas-Bratislava (CCA 6146-49). Im Namen der Crew wurde ich willkommen geheißen, musste aber gleichzeitig eine Liability Release Declaration (Haftungserklärung) unterzeichnen. Diese Erklärung bedeutete nichts anderes, als das die Airline im Falle des Falles für keinerlei Regressforderungen aufkommt. Nachdem auch diese Sache geklärt war, bestiegen wir um 09:50 Uhr den Crew Bus in Richtung Flughafen. Nach der obligatorischen Sicherheitskontrolle standen wir auch schon am Vorfeld vor der OM-BEX. Die Maschine war bereits von den AEX Technikern vorbereitet worden und die Crew begann mit den Vorbereitungen für unseren Abflug.

Während Kapitän Larisch und sein Co Pilot das Flight Management System programmierten, übernahmen die Flugbegleiterinnen das Catering und die Passagierliste für den bevorstehenden Flug. Nach einem kurzen Außencheck der Maschine, bestiegen auch schon die ersten Passagiere das Flugzeug. Auf unseren Flug SSC 6146 nach Burgas waren 144 Passagiere gebucht.

Nachdem auch ich meinen Platz im Cockpit der Boeing eingenommen hatte, wurden wir um 10:47 Uhr mittels Push-back Fahrzeuges in unsere Rollstraße geschoben. Nach der Freigabe für den Engine Start durch den Tower, rollten wir zum Holdingpoint der Piste 04. Kapitän Larisch informierte den Controller über das Erreichen vom Holding Point und unmittelbar darauf bekamen wir auch schon die Start Freigabe. Unsere 50.098kg schwere Boeing beschleunigte bis auf die Abhebegeschwindigkeit V2 und unser Flugzeug hob in Richtung Schwarzes Meer ab.

Die Verantwortung des ersten Fluges (BTS-BOJ) übernahm Kapitän Dedejkovic, dieser fliegt erst seit kurzem bei Air Explore und gehört mit nur 40 Flugstunden auf der Boeing 737, noch zu den Neulingen auf diesem Typ. Mit bereits 3500 Flugstunden gehört Kapitän Larisch zu den erfahrenen 737-Piloten. Diese hohe Anzahl an Flugstunden konnte er in den vergangenen 15 Jahren bei seinen Einsätzen für Slovak Airlines, Air Slovakia und Seagle Air ansammeln.

Wie uns der Flight Dispatcher zuvor in der Firmenzentrale berichtet hatte, stand uns ein sehr ruhiger Flug ans schwarze Meer bevor. Bereits um 11:06 Uhr bekamen wir die ungarische Hauptstadt Budapest unter uns zu sehen, nachdem wir Serbien überquert hatten, überflogen wir bereits um 11:50 Uhr auf FL 350 die bulgarische Hauptstadt Sofia. Nur noch weniger als 30 Minuten trennten uns von unserer ersten Destination. Der Sinkflug auf Burgas (BOJ) wurde eingeleitet, Checklisten durchgegangen, Notfall Szenarien vorab durchgesprochen und nach der Landefreigabe setzten wir pünktlich um 12:20 Uhr in Burgas auf.

Kaum mit dem Fahrwerk aufgesetzt begann auch schon ein heftiges Rumpeln über die schäbige Piste und dem Rollfeld. Eine Strapaze für Mensch und Maschine, laut Kapitän Larisch ist es aber vollkommen egal, ob man ganz langsam oder schnell über die Taxiways fährt, die Belastung für Mensch und Maschine bleibt die gleiche. Zum Zeitpunkt unserer Ankunft herrschte in BOJ kein allzu großer Betrieb. Wir wurden auf unsere Abstellpositionen dirigiert und die beiden Triebwerke wurden abgeschaltet. Diese hatten auf dem ersten Teilstück (BTS-BOJ) wie berechnet 3700kg Kerosin (inkl. APU und Rollen) verbrannt.

Fotosession auf FL 350
Nachdem die Passagiere das Flugzeug in Richtung Urlaubsort verlassen hatten, stand unser nächster Flug SSC 6147 bevor, ein Ferry Flug nach Sliac (Slowakei). Ein Ferry Flug (Positionierungsflug) ohne Passagiere hat natürlich seinen eigenen Reiz. Vor allem bot dieser Flug die Gelegenheit nach unserem Start mit unseren Flugbegleiterinnen ins Gespräch zu kommen. Alle drei konnten auf eine mehrjährige Berufserfahrung bei Air Slovakia, Skyeurope und Seagle Air zurückblicken. Jana Samay, eine der drei Flugbegleiterinnen hatte bereits Modellerfahrung gesammelt und wusste, wie sie sich und ihre Kolleginnen richtig in Szenen setzten konnte.

Kurz nach einem kleinen Fotoshooting begann unsere Boeing 737 auch schon mit dem Sinkflug auf Sliac. Pünktlich um 14:40 Uhr setzte die Maschine auf der 2340 Meter langen Piste 36 des kleinen Regionalflughafen auf. Der Flughafen von Sliac ist ein Luftwaffenstützpunkt mit ziviler Nutzung und beheimatet eine Mig-29 und Albatros Jettrainer Flugstaffel. Erst im vergangen Jahr, noch schnell vor den Wahlen zum neuen Premierminister, wurde die Piste in Sliac erneuert und auf ICAO Standard gebracht. Seitdem heben regelmäßig Charterflüge mit sonnenhungrigen Slowaken in Richtung Süden ab. Zwar wurde die Piste renoviert, der Passagierterminal, wenn man diesen als solchen bezeichnen darf, ist immer noch der alte und kaum dafür ausgelegt 140 Passagiere und mehr, gleichzeitig abzufertigen.

Die 5000 Einwohner Stadt Sliac liegt in der Mittelslowakei und verbreitet ländliche Atmosphäre. Diese ländliche Atmosphäre wurde dadurch verstärkt als wir vom Handling Agent die Mitteilung erhielten, dass eine verspätete Urlaubsfamilie am Flughafen angerufen hatte und darum bat, mit dem Abflug noch zu warten. Unsere Maschine stand eigentlich schon wieder bereit für den Rückflug nach Bulgarien, alle Passagiere hatten bereits Platz genommen und freuten sich auf den bevorstehenden Urlaub. Kapitän Larisch meinte auf meinen fragenden Blick hin jedoch nur; «No problem, we’re flying for our passengers, we don’t need a slot in BOJ, so we can wait». So warteten wir geduldig noch weitere 20 Minuten, bis die verspätete Urlauberfamilie endlich das Flugzeug erreichte und sich hinter ihnen die Türen schlossen. Als wir mit unserer Maschine beim Holdingpoint angekommen waren, mussten wir noch die Landung zweier Mig-29  abwarten. Danach bekam Flug SSC 6148 die Startfreigabe und wir hoben wieder in Richtung Burgas (BOJ) ab.

Burgas – fest in russischer Hand
Als wir uns wieder im Anflug über die Plattenbauten von Burgas befanden, war schon aus der Ferne ein volles Vorfeld zu sehen. Die Russen hatten den Flughafen übernommen, unter anderen standen am Vorfeld zwei Transaero Boeing 747 , eine Ural und S7 A-320, eine VIM 757 in neuen Farben, sowie eine Belavia TU-154, abgestellt. Waren es in den Achtziger- und Neunzigerjahren vor allem die deutschen Airlines, die das Geschehen am Schwarzmeerflughafen Burgas beherrschten, so hat sich die Situation heute deutlich geändert. Die preisgünstigen Strände von Sunny Beach und Nessebar werden heute bevorzugt von den russischen Gästen überrannt. Die Tatsache, das Transaero gleich zwei volle Jumbo Jets aus Moskau einflog beweist diesen Umstand.

Zusätzlich zum russischen Verkehr waren auch jeweils zwei AIR VIA A-320, zwei Bulgarian Air Charter MD-82, sowie eine Balkan Holidays A-320 auszumachen. Ein Passagieraufkommen, das es für den kleinen Flughafen von Burgas erst einmal zu bewältigen galt. Im Jahre 2006 hatte die bulgarische Regierung für die Flughäfen Burgas und Varna eine 35 jährige Betriebskonzession an FRAPORT verkauft. Seitdem wurde auf den Flughafen (zuletzt 1,8 Millionen abgefertigte Passagiere) bereits einiges in die Infrastruktur investiert, das größte Projekt jedoch, die Errichtung eines neuen Terminals wurde jedoch noch nicht in Angriff genommen. Deshalb wird immer noch das bestehende Gebäude aus den 70er Jahren für den täglichen Sommerbetrieb genutzt. Flug SSC 6148 hatte um 17:23 Uhr in BOJ aufgesetzt, nach Erreichen der Parkposition und Verlassen der Passagiere war es an der Zeit, Kerosin für den Heimflug aufzunehmen. Der letzte bevorstehenden Flug SSC 6149 von BOJ nach BTS war wieder als Ferry Flug eingetragen.

Um 19:45 Uhr stand uns die letzte Landung für den heutigen Tag im heimatlichen Bratislava bevor. Kapitän Larisch setzte die Boeing 737 wieder butterweich auf und rollte zu unserer Abstellposition. Ein fast elfstündiger Arbeitstag lag hinter uns, als die Maschine wieder an die Air Explore Techniker übergeben wurde.