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Harry Hohmeister

«Es gibt immer noch viel zu tun»

Der Aufsichtsratsvorsitzende der Austrian Airlines AG im ausführlichen Interview mit Michael Csoklich.

Vor ziemlich genau neun Jahren hat Harry Hohmeister Platz im Aufsichtsrat der Austrian Airlines AG genommen, seit Juni 2013 ist er dessen Vorsitzender. In dieser Zeitspanne hat die AUA viele Veränderungen durchgemacht – von der Beinahe-Insolvenz über eine Konsolidierungsphase wieder hin zu Investitionen in Produkt und Flotte. Die österreichische Airline fliegt zwar mittlerweile nach dem schwierigen Prozess des Umbaus wieder Gewinne ein, so richtig zufrieden ist man von Seiten des Eigentümers Lufthansa – Hohmeister ist ja im “Hauptberuf” Vorstand der Kranich-Airline – offenbar noch nicht. Im ausführlichen Gespräch mit Austrian Aviation Net präzisiert der 54-jährige Deutsche, was er sich in den nächsten Jahren von der AUA erwartet – und wie man dort hinkommen möchte.

Herr Hohmeister, auf die Frage, in welchem Zustand er die AUA seinem Nachfolger übergibt, hat Kay Kratky Ende Juli gesagt, mit 3 plus. Wo steht ihrer Meinung nach die AUA auf einer Skala von 1-5?

Auf 3 plus, ich teile die Meinung von Herrn Kratky. Die Sanierung und grundsätzliche Neuorientierung der AUA in den letzten Jahren hat geklappt, aber es gibt immer noch viel zu tun, um in Richtung 2 plus zu kommen. Vor allem sind die Kosten zu verbessern, nicht nur bei der AUA, auch bei den Systempartnern, Stichwort Flughafen, Stichwort Austro Control.

Können Sie mir drei konkrete Punkte nennen, die passieren müssen, damit die AUA auf 2 plus kommt?

Erstens: Eine noch stärkere Verbesserung von Produktivität, Effizienz und Kosten bei den Systempartnern. Das sind vor allem Austro Control und der Flughafen, da gibt es noch die Notwendigkeit zur Kostenkorrektur. Zweitens: Optimierungen innerhalb der AUA. Natürlich stellen wir uns die Frage, wo die AUA noch effizienter werden kann, auch im Vergleich mit anderen Airlines. Da sehe ich noch Verbesserungspotential in der Verwaltung aber auch im Flugbetrieb. Beispiele sind die Blockstundensätze für die Crews. Digitalisierung kann sicherlich dabei unterstützen, noch besser zu werden. Oder auch die Synchronisierung innerhalb der Lufthansa Group. Drittens: Optimierung der Flotte: Es gibt kaum eine Fluglinie in Europa, die noch einen so hohen Turbopropanteil hat. Damit ist man heute sicherlich nicht optimal aufgestellt. Das ist ein wichtiges Thema für die Zukunft.

Die AUA hat nach eigenen Angaben die niedrigsten Produktionskosten im Konzern, niedriger als Eurowings…

…das stimmt im Standortvergleich nicht. In Österreich hat die in Wien angesiedelte Eurowings Europe niedrigere Kosten als die AUA.

Aber die AUA niedriger als Lufthansa und Swiss.

Ja, notwendigerweise. Man kann das ja nicht ohne das Umfeld beurteilen. Das ist in der Schweiz ein ganz anderes als in Wien, von den Lebenshaltungskosten bis zu den Erlösmöglichkeiten, gleiches gilt für Frankfurt und München. Wenn wir die Ertragskosten in diesem Zusammenhang sehen, dann ist die AUA eben noch nicht optimal aufgestellt, sondern nur 3 plus. Während zum Beispiel Zürich 1.0 hingelegt hat, und Frankfurt und München in der Summe bei einer deutlichen 2 plus oder etwas besser sind. Da gibt es also Aufholbedarf, dem muss man sich jetzt stellen. Jeder Optimierungsprozess ist ein Stück weit eine Reise, die nicht aufhört – auch an den anderen Hubs nicht. Denn das ganze Geschäft ist stark unter Wettbewerbsdruck. Und nirgends sehen wir das im Moment besser als in Wien.

Sie haben davon gesprochen, dass 10% Gewinnmarge das Ziel ist für die AUA aufrecht…

…für alle Hubairlines…

…wie viele Jahre geben Sie der AUA dafür Zeit, wann soll das erreicht sein?

Diese Zielvorgabe ist ehrlich gesagt nicht ganz neu, sie ist mindestens 2 Jahre bekannt. Die Jahre davor waren es 8%, das hängt ja auch von den exogenen Faktoren ab. Aber mit den nicht einmal 4%, die die AUA im letzten Jahr erreicht hat, ist man langfristig nicht reinvestitionsfähig. Daher müssen wir weiter aktiv sein, um auf die richtige Größenordnung zu kommen, und die wird nach heutigen Maßstäben um die 10% liegen müssen. Bei der Bilanzstabilisierung ist uns ja einiges gelungen in den letzten Jahren, aber das reicht nicht aus, um zum Beispiel die Träume des kompletten Austausches in der Langstrecken-Flotte zu realisieren. Wir wollen die AUA auf jeden Fall überlebensfähig halten, darum mussten wir erstmal auf der Liquiditätsseite arbeiten, da sieht die Welt gut aus. Der zweite Schritt ist, die EBIT-Marge in Ordnung zu bringen. Da sind wir noch nicht dort, wo wir hinmüssen, um dann drittens investieren zu können.

Wie lange hat die AUA dafür Zeit, wann soll das Ziel erreicht sein?

Am besten gestern, das ist klar. Wir sind jetzt in der Hochkonjunkturphase, alle Hub-Airlines verdienen gutes Geld, die AUA hängt da etwas hinterher und deswegen wird man da nicht eine Dekade oder 5 Jahre Zeit geben können. Wir werden uns zügig um die Verbesserung bemühen müssen. Zügig heißt nicht innerhalb von 12 Monaten, das ist uns allen klar. Aber innerhalb von 24 Monaten muss man wieder den Zielkorridor anstreben und zeigen, dass man ihn erreichen kann.

Es hat einmal geheißen, wenn die AUA 100 Millionen € verdient, kommen neue Langstreckenflugzeuge. Die 100 Millionen hat sie 2017 erreicht, da hat es geheißen, es müssen 150 Millionen sein. Und unlängst hat AUA-CCO Andreas Otto auf 200 Millionen erhöht. Welches Spiel läuft denn da?

Es geht hier schlicht um Mathematik. Wenn man einmal einen Gewinn von 100 Millionen erreicht, ist das nicht ausreichend, um eine Milliardeninvestition zu tätigen.

Die Zahlen sind aber von Lufthansa und von AUA-Vorständen genannt worden.

Die Aussagen waren immer klar und transparent: Um AUA Investitionsfähig zu machen, brauchen wir mindestens 100 Millionen € Ergebnis, kontinuierlich, über die Wirtschaftszyklen hinweg, also im Durchschnitt von guten Zeiten und schlechten Zeiten. Und dann muss man schauen, wann man wieviel Geld in die Hand nimmt, um zu investieren. Im Übrigen: Die Boeing 767 ist kein schlechtes Flugzeug. Wir haben ja gerade mit der Premium Economy ein neues Produkt eingeführt. Das würden wir ja nicht tun, wenn wir nicht wüssten, dass wir die Flugzeuge noch einige Jahre fliegen wollen. Also alleine daran kann man ablesen, dass zumindest hier aus dem Haus Lufthansa jetzt nicht unmittelbar die Absicht und die Notwendigkeit bestand, die Flugzeuge zu ersetzen, zumal das im wirtschaftlichen Kontext gar nicht passt. Also: Ziel der AUA muss es sein, schnell 100 Millionen € zu verdienen, absehbar 150 Millionen, und dann auf dem Niveau zu bleiben um auch kontinuierlich investitionsfähig zu sein.

Die Lufthansa hat auch in Zeiten sehr schlechter Margen 14 Milliarden in eine neue Flotte, in die Zukunft investiert. Kann das kein Beispiel für die AUA sein?

Wir haben massiv in die AUA investiert! In die Embraerflotte fast eine Milliarde €, in neue Premium-Produkte in der Langstreckenflotte, wir investieren viel in Systeme, die die AUA noch effizienter machen, zum Beispiel die kommerziellen Steuerung, das Yield-Management, in die Optimierung von Kundenanalyseverfahren usw. Das sind erhebliche Beträge. Sie sehen, wir bauen auf die AUA. Unsere Ambition ist es, das Unternehmen langfristig stabil und profitabel zu machen, um auch die gewollte Eigenständigkeit zu erhalten. Wenn jemand dauernd am Tropf der Mutter hängen muss, ist das keine gute Sache.

Wir sind uns einig, dass die AUA in neue Produkte welcher Art immer investieren muss, weil sie sonst am Markt nicht konkurrenzfähig ist…

…das macht sie ja auch.

…und ein Teil ist über die Jahre gesehen auch die Erneuerung der Flotte.

Korrekt! Zum jetzigen Zeitpunkt bei der Langstrecke aber mit sehr niedriger Priorität, weil eine 777 durchaus ein wirtschaftlich zu betreibendes Flugzeug ist und die 767 kaum ein Ersatzmuster hat, was inklusive der Kapitalkosten die 767 schlägt.

Ab 2020 bekommt die Lufthansa neue 777-9. Sollte die AUA bis dahin stabile Gewinne machen – könnte sie bei der Zuteilung dieser Flugzeuge im Rennen sein?

Wir entscheiden im kommenden Sommer, wo die neue 777-9 abheben wird, abhängig davon, wie sich die Drehkreuze entwickeln.

Der Markt in Wien wird derzeit von Low Cost Carriern gerade regelrecht überschwemmt, von Ryanair über Wizzair bis zu Level tummeln sich so viele wie noch nie in Wien. Wie sehr wird diese Ansammlung von Billigfluglinien in Wien der AUA schaden?

Das ist natürlich ein Thema, das man im Auge behalten muss. Die Schwierigkeiten der AUA liegen aber nicht im Europaverkehr, da werden gute Margen erzielt, die Schwäche ist der Langstrecken-Verkehr. Der wird von den Billigfluglinien aber nicht tangiert. Unser Fokus liegt also auf der Verbesserung des Langstrecken-Verkehrs. Deswegen werden wir das Programm im Sommer komplett umstellen und stärker in das Angebot der Lufthansa-Gruppe integrieren. Davon erwarten wir erhebliche Ergebnisverbesserungen, die aus meiner Sicht die Risiken, die durch die Low Cost Konkurrenz entstehen, zum größten Teil ausgleichen können. Deswegen glaube ich, dass die AUA beim operativen Ergebnis im nächsten Jahr nicht schlechter dastehen wird als dieses Jahr. Isoliert betrachtet sind natürlich die Billigfluglinien und die Art und Weise, wie sie agieren, eine Herausforderung. Wir sehen aber auch, dass die Lowcoster sich weitestgehend untereinander bekämpfen, und zwar mit aller Härte. Mal schauen, wer am Ende übrigen bleibt und wer nicht.

Verstehe ich Sie richtig: die AUA wird durch eine bessere Integration in das Gesamt-Langstreckennetz dort mehr verdienen und daher kann man die möglichen Einnahmenausfälle auf der Europaseite ausgleichen.

Davon gehe ich aus. Außerdem wird sich die AUA, wie die Lufthansa in Frankfurt oder in München, und wie die Swiss in Zürich und Genf gegen die Billigfluglinien gut wehren können. Wir haben bewiesen, dass wir in den letzten beiden Jahren den Umgang mit Billigfluglinien gut gelernt haben und so richtig Spaß hat im Wettbewerb mit uns keiner. Wir werden die richtigen Antworten finden.

Die Billigfluglinien in Wien schrecken Sie also nicht.

Wir nehmen sie ernst, sie schrecken mich aber nicht.

Jetzt hat Eurowings in Wien die Europabasis. Eurowings ist auch eine Billigflugline, wie sehr wird das Eurowings treffen?

Eurowings ist in Österreich in der Tat gut positioniert, hat sich in den letzten drei Jahren ansehnliche Marktanteile erarbeiten können und hat eine gute Basis, um in diesem zusätzlichen Wettbewerb bestehen zu können. Derzeit sehen wir, dass viele Gesellschaften aus Wien heraus fliegen – das wird die Nachfrage in Wien aber nicht hergeben. Daher werden viele neue Anbieter hier Probleme bekommen – die Etablierten, wie Eurowings, haben es da leichter.

Das Modell der Billigfluglinien mit 9,90 € Ticketpreisen gerät zunehmend in Diskussion. Gleichzeitig bekommt der Parade Low Coster, Ryanair, jeder Menge Probleme, Gewerkschaften, Streiks, neue Kollektivverträge, Flugausfälle. Stößt das Billigflugmodell an seine Grenzen?

Ich würde sagen, das Billigflugmodell kommt mit seinen Wachstumsmöglichkeiten an die Grenzen. Billigfluglinien haben in Europa über 40% Marktanteil erreicht. Die nächsten 10 Prozentpunkte werden sehr viel schwerer zu erreichen sein als die letzten 10 Prozentpunkte. Gleichzeitig haben sie sehr viele neue Flugzeuge bestellt, sie haben also einen erheblichen Liquiditätsbedarf, der nicht mehr so einfach zu decken sein wird wie bisher, in dem man Nischen abdeckt oder gegen schwache Legacy Carrier fliegt. Denn das hat sich geändert. Die Legacy Carrier, die noch da sind, sind alle stärker geworden, gerade die Lufthansa-Gruppe. Die Spritpreise steigen und werden einigen Probleme bereiten. Dazu kommt, dass sich manche nicht darauf konzentriert haben, ihr Geschäftsmodell wirklich weiter zu entwickeln, sondern nur expandiert haben. Dazu gehört auch die Ryanair. Immer mehr vom Gleichen endet dann auf der Personalseite da, wo sie heute stehen. Ich glaube, die haben wirklich den Fehler gemacht, sich zu sehr auf die Aktionäre und zu wenig auf die Kunden und Mitarbeiter konzentriert zu haben. Die Kunden erreicht man aber nur über gute, motivierte Mitarbeiter. Das hat Ryanair vernachlässigt.

Dazu kommt, dass mit den neuen Tarifverträgen bei Ryanair die Preise steigen oder die Gewinne sinken werden. 

Ja, und das zahlen am Ende die Aktionäre oder die Kunden.

Lufthansa hat von Frankfurt 5 A380 nach München verlegt. Ich interpretiere das jetzt als Drohgebärde gegenüber dem Frankfurter Flughafen und seiner Preispolitik. Carsten Spohr hat gemeint, wenn in Frankfurt Wachstum nicht mehr möglich ist, tun wir es eben in unseren Hubs Zürich, München und Wien. Wann kommt eine A380 der Lufthansa nach Wien? 

Ich werde das wahrscheinlich in meiner Karriere nicht mehr erleben. Wenn wir so etwas machen, muss das schon sinnvoll sein. Das Zubringernetz in München besteht aus mehr als 100 Flugzeugen, das ist von der Kapazität fast doppelt so groß wie das Zubringernetz in Wien. Das braucht man, um ein so großes Flugzeug voll zu bekommen. Ich denke, mit einer 777-200 mit rund 300 Sitzen ist in Wien tatsächlich das obere Ende der Möglichkeiten schon überschritten. Ich glaube zweitens, dass die Größe der Flugzeuge heute gar nicht mehr so relevant ist. Denn die Stückkosten der A350 sind günstiger als bei der A380. Also bin ich angebotsseitig sogar günstiger aufgestellt, wenn ich zwei Mal mit einem günstigeren kleineren Flugzeug fliege als einmal mit einem Großflugzeug. Das würde ich mir dann in Wien wünschen.

Vorausgesetzt es gibt die Kapazitäten am Flughafen.

Natürlich. Wir können auch zeigen, dass unser System mit vielen Hubs funktioniert. Wir haben in Frankfurt 70% Umsteigeranteil, also nur etwa jeder dritte Passagier steigt tatsächlich in Frankfurt ein. Wenn wir Kapazitäten wo anders hin verlagern, versuchen wir, den Umsteigeverkehr zu verlagern. Das hat gut funktioniert in Richtung München, und wird im nächsten Schritt in Zürich gut funktionieren und mit der stärkeren Integration von Wien in das Lufthansanetz 2019 wird das auch in Wien funktionieren. Das zeigt, dass wir über unsere Drehkreuze den Verkehr inzwischen optimal integriert steuern und sehr schnell und flexibel auf wechselnde Rahmenbedingungen reagieren können.

Wie kann man sich die stärkere Integration von Wien vorstellen?

Das fängt bei der Streckenplanung an. Verkehre sind nicht steuerbar, wenn die Gesellschaften alle komplett unterschiedliche Destinationen anfliegen, also einer nur auf die Malediven, der andere nach Singapur und der dritte auf die Seychellen fliegt. Etwa 80 Prozent der Reiseziele sollte identisch sein, man fliegt also am besten auf ähnlichen Strecken mit einem ähnlichen Zubringernetz. Beides haben wir in den vergangenen zwei Jahren definiert und aufgebaut – nun integrieren wir auch die AUA – damit ist Wien Teil des Systems.

Welcher Hub für den Sie zuständig sind, macht Ihnen am meisten Freude?

Ganz ehrlich machen mir alle gleich viel Freude trotz aller Herausforderungen. Der eine, Zürich, ist auf einem hohen Profitabilitätsniveau und kämpft, um dieses zu halten. Dann gibt es andere, wie Frankfurt, die sind ziemlich groß und kämpfen mit ihrer Infrastruktur. Das ist in puncto Kundenqualität eine Herausforderung. Dann haben wir die Situation in Wien, die eben noch nicht stabil und noch nicht nachhaltig genug ist. Und dann haben wir noch München, wo wir hervorragende Möglichkeiten haben, den Kunden eine hohe Qualität zu bieten. Dafür gibt es dort andere Diskussionen, wie wieviel Wachstum verträgt München tatsächlich. So gesehen ist die Vielfalt das Interessante und nicht der einzelne Hub.

Unter der Voraussetzung, dass der Flughafen Berlin tatsächlich einmal aufsperrt: haben Sie in der Schublade einen Plan für einen Lufthansa-Hub Berlin?

Vier Hubs in der geographischen Nähe reichen vollkommen aus. Man müsste ja ein komplettes Zubringersystem nach Berlin aufbauen.  Die Nachfrage ist sehr stark nach Berlin, und etwas weniger aus Berlin heraus. Die Voraussetzungen sind also derzeit nicht gegeben. Berlin ist wie keine andere Stadt an das weltweite Netz der Lufthansa Group angeschlossen – Berlin ist wichtig für uns. Ein Drehkreuz aber sehe ich dort in absehbarer Zeit nicht.

In Wien ärgern Sie sich regelmäßig über die hohen Preise der Austro Control, die um rund 60% über den der Drehkreuze  in Deutschland liegen. Was wollen Sie dagegen tun?

Die Austro Control ist natürlich ein wichtiger Partner. Wir sind in einem konstruktiven und regelmäßigen Austausch – schwerpunktmäßig über Kosten. Die Gespräche führt das AUA Management weiter mit dem Ziel, langfristig eine tragfähige Lösung zu erreichen.

Sie sehen also Handlungsbedarf.

Unbedingt, ja.

Der LH-Konzern ist nach Umsatz gerechnet der weltgrößte Luftfahrtkonzern. Gerade die Luftfahrtbranche ist laufend starken und schnellen Veränderungen unterworfen. Was sind da aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für die Zukunft der nächsten 10 Jahre? 

Genau diese Volatilität weiter in den Griff zu bekommen. Eine Antwort darauf ist, weiter zu konsolidieren. In Europa haben wir 140 verschiedene Fluglinien, die versuchen, sich gegenseitig die Passagiere abzujagen und das meist über die Preise.

Aber über Konsolidierung reden wir seit 10 Jahren und mehr.

Ja und die Lufthansa ist seit jeher ein aktiver Treiber gewesen. In Asien, den USA und im mittleren Osten entwickeln sich 4-5 starke Marktteilnehmer, mehr nicht. Diese Entwicklung sehe ich auch in Europa. Wir dürfen beim Thema Konsolidierung nicht aufgeben, müssen lernen, die exogenen Einflussfaktoren wie Treibstoffpreise flexibel zu managen und wir müssen versuchen, die Monopolisierung in den Zuliefermärkten weiter aufzubrechen. Das muss die Antwort sein, um die Volatilität zu senken und damit auch mehr Stabilität für Mitarbeiter, Kunden und Aktionäre zu erreichen.

Als Nummer 1 weltweit, werden sie bei der Konsolidierung irgendeine Rolle spielen müssen. Können und wollen Sie? 

Beides würde ich mit ja beantworten.  Aber natürlich muss das Ganze sich auch refinanzieren. Wir sehen ja am Beispiel Air Berlin, dass das für alle Beteiligten weder einfach noch günstig war. Ryanair hat ja kürzlich veröffentlicht, dass die Übernahme der kleinen Laudamotion 150 Millionen kosten wird. Wahrscheinlich ist es am Ende deutlich mehr. Easyjet spricht von 200 Millionen Ergebnisbelastung aus der Übernahme, und wir selbst haben ja 170 Millionen € genannt als Einmalkosten in diesem Jahr. Ohne Mechanismen wie ein Chapter 11 in den USA wird das Thema Konsolidierung nicht vorangehen. Weil es eben eine erhebliche finanzielle Belastung ist für die, die konsolidieren. Warum findet denn Alitalia keinen Partner? Weil niemand Milliarden Schulden, alte Verträge und alte Strukturen übernehmen möchte. Hier braucht es neue Lösungsansätze.

Sie meinen eine Art Chapter 11 für Europa?

Ich will das System nicht kopieren, aber so wie es heute angelegt ist, wird es langfristig nicht funktionieren. Konsolidierungen können heute nur privatwirtschaftlich getragen werden, dann aber gibt es zusätzlich noch Auflagen aus Wettbewerbsgründen und es müssen noch Risiken aus der Vergangenheit übernommen werden. Dieses System werden wir uns in Europa nicht leisten können.

Die Konsolidierung in Europa war ja vielleicht auch ein Grund, warum es im Sommer bei so vielen Fluglinien zu Problemen und Verspätungen gekommen ist. Auch bei Eurowings. Welche Lehren ziehen Sie aus diesem verkorksten Sommer?

Nach der Übernahme von Teilen der Air Berlin mussten wir uns entscheiden zwischen dem strategisch richtigen Schritt oder dem operativ einfachen. Wir haben uns für den strategisch richtigen entscheiden. Der hat dazu geführt, dass wir operativ Probleme hatten. Aber er wird für die nächsten Jahrzehnte als der strategisch richtige Schritt gesehen werden. Auch für den Markt Deutschland. Wir wollen den Standort Deutschland stärken mit sicheren Arbeitsplätzen und guten Sozialstandards.

Welche Lehre ziehen Sie jetzt aus den Problemen dieses Sommers?

Die Pleite eines Unternehmens hat gravierende Auswirkungen. Besonders natürlich beim Angebot. Da gab es keine einfachen Lösungen. Und sicherlich haben wir auch nicht alles perfekt gemacht. Ich glaube, wir hätten zum Beispiel früher sagen müssen: Wir machen das, aber es bringt Probleme mit sich.

Also besser früher kommunizieren als einen Entschuldigungsbrief zu schreiben, der auch in die Hose geht. 

Wie gesagt, wir hätten hier und da manche Herausforderung offener ansprechen sollen.

In einem Porträt wurden Sie als Schnelldenker und Schnellsprecher beschrieben, als direkt und forsch, als superehrgeizig, durch die fordernde Art oft unbequem, aber stets verlässlich. Erkennen Sie sich wieder?

Na ja, ich glaube, das stimmt im Wesentlichen schon, wer immer das auch geschrieben hat. Ich glaube, meine direkte Art kommt teilweise aus meiner knappen Zeit. Wenn Dinge klar sind, müssen sie entschieden und umgesetzt werden. Ich mag es nicht, wenn Leute so tun, als ob sie etwas entschieden haben und es dann nicht machen. Da kommt vielleicht noch das Forsche heraus. Aber im Großen und Ganzen würde ich sagen, das passt schon.

Europäische Geschichte ist ein Steckenpferd von Ihnen …

… ja, immer noch …

… gerade in der Frage, wie Europa zusammenfindet. Macht es Ihnen nicht Sorgen, dass im Moment offenbar gerade das Gegenteil zu passieren scheint?

Wenn man auf die europäische Geschichte blickt, erkennt man sehr oft eine Veränderung der Gewichte. Was wir wirklich schaffen müssen ist, die Auseinandersetzungen der unterschiedlichen Kulturen und Interessen in Europa politisch und diplomatisch zu lösen. Darum setze ich sehr stark auf die europäische Integration. Ich bedauere wirklich, dass die Briten sich für den Brexit entschieden haben, statt dafür zu kämpfen, dass Europa in seinen Reformen voranschreitet. Die Briten im Haus Europa hätten viel mehr ausrichten können als vor der Tür. Ich bin überzeugter Europäer. Das europäische Haus muss weiter entwickelt werden. Es darf nicht auseinanderfallen.

Mit der Zuversicht, dass das europäische Haus bestehen bleibt?

Mit der Zuversicht, dass es sich reformieren wird.